28.05.2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder, Sympathisanten*innen und Unterstützer*innen,
man kann es geradezu als einen groben Fehler bezeichnen, was die SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen in der letzten Woche forderte.
Nicht genug, dass Deutschland seine eigene pflegerische Infrastruktur strukturell und finanziell seit langem grob vernachlässigt. Nicht genug, dass seit Jahren Pflegearbeitsverhältnisse in Privathaushalten geduldet werden, für die jedes Arbeitsschutzgesetz und jede Form von Verbraucherschutz nicht gelten.
Nicht genug, dass Pflegearbeit nicht den Schutz vor Abwertung erfährt, der für Angestellte auf Baustellen und in der Landwirtschaft selbstverständlich ist.
Die Forderung nach einer Legalisierung von schwarzarbeitenden Pflegekräften aus Osteuropa schafft mehr Probleme als sie lösen würde.
Zunächst ist eine Legalisierung im Rahmen der bestehenden Arbeitsschutzgesetze schlichtweg nicht möglich oder unbezahlbar. Es müssten also Sondergesetze außerhalb der geltenden Regelungen geschaffen werden.
Das nun ausgerechnet aus der SPD eine solche Forderung kommt ist eine Ironie des Schicksals, denn gerade diese Partei sollte sich für Arbeitsschutz und faire Bezahlung für alle Arbeitnehmer*innen in diesem Land einsetzen.
Perspektivisch würde man das deutsche Pflegesystem und damit die darin arbeitenden Mitarbeiter*innen aber einer weiteren Abwertung aussetzen.
Das hat bereits eine lange Tradition im deutschen Pflegesystem, denn die Pflegearbeit erhielt nie den ihr zustehenden Wert und damit auch nicht die notwendige Wertschätzung.
Mindestlohn und Tarifverträge liegen weit unter dem Niveau von Facharbeit in der Industrie.
Nun dazu aufzurufen diese illegalen Pflegesettings zu legalisieren würde die legale Pflege wiederum einem noch massiveren Wettbewerbsdruck aussetzen. Mal ganz abgesehen davon, dass dies nicht für alle Pflegesettings der beste Weg ist. Gerade Menschen mit Demenz fühlen sich in Gruppen mit anderen Menschen mit Demenz oft viel wohler.
Alles in allem der falsche Weg.
Wer eine gute Pflege in Deutschland sicherstellen will, muss dafür sorgen, dass alle Arbeitsschutzgesetze uneingeschränkt auch für Pflege im Privathaushalt gelten und dieses auch kontrollieren.
Er muss sicherstellen, dass die legalen Pflegeangebote so auskömmlich finanziert werden, dass diese von Pflegebedürftigen auch bezahlt werden können, ohne dass ein beschämender Weg zum Sozialamt notwendig wird.
Er muss sicherstellen, dass die pflegerische Infrastruktur überall in der Fläche erreichbar ist.
Er muss aber auch klarstellen, dass dieses Angebot der einzig ethisch vertretbare Weg ist.
Dieser Weg muss deshalb auch Grenzen der Pflegeleistung beinhalten.
Aufgrund des notwendigen Arbeitsschutzes darf es eine 24/7 Betreuung zuhause nur in bestimmten Ausnahmesituationen geben, die dann auch auskömmlich refinanziert werden. Man denke hier zum Beispiel an die ambulante Intensivpflege.
Das Ringen um Menschenwürde dreht sich nämlich nicht nur um die Menschen mit Pflegebedarf selbst, sondern auch um deren Betreuungs- und Pflegepersonen, weshalb es hier immer einer ethischen Abwägung bedarf.
Auf keinen Fall dürfen legale Pflegeangebote unter dem Deckmantel der Bezahlbarkeit in den Hintergrund gedrängt und dubiosen Vermittlungsagenturen noch mehr Marktanteil eingeräumt werden.
Schon gar nicht durch Zuschüsse aus den Sozialversicherungsbeiträgen oder Steuermitteln.
Niemand hat das Recht auf einen Privatangestellten zuhause, der rund um die Uhr zur Verfügung steht, sei es auch nur in einer andauernden Bereitschaft.
Die Probleme der mangelhaften Finanzierung von Pflegesettings in einem der reichsten Länder der Erde auf dem Rücken von notleidenden Frauen aus Osteuropa auszutragen ist zutiefst beschämend.
Wer mit einer Legalisierung versucht, eine geringfügige Verbesserung für diese Menschen zu erreichen hat im Kern den europäischen Gedanken nicht verstanden.
Wenn Arbeitnehmer*innen aus osteuropäischen Ländern in unserem Land arbeiten, haben diese das gleiche Recht auf Arbeitsschutz und Bezahlung, wie wir!
Das ist die Wahrheit, die es zu vertreten gilt. Pflege für ein Almosen darf es in unserem Land nicht geben!
Hier beginnt nämlich unumstößlich die Wertschätzung der Care-Arbeit!
Pflege in Bewegung e.V.
-Der Vorstand-